Als ehemaliger Power Forward der kana- dischen Olympia Auswahl von 1984 kann sich Herbert sehr genau in die Psyche seiner Mannen einfühlen. "Man muss ihnen nahe stehen und ein offenes Ohr für ihre Probleme haben. Aber genug professio- nellen Abstand halten, um nicht in Kumpanei zu verfallen."
Coach "Gordie" ist ein toleranter Trainer, der Spieler gleichermaßen mit Respekt und Verständnis behandelt. Nach Niederlagen bittet er zur sachlichen Fehlersichtung am Videoschirm, ohne seinen Korbjägern Liegestütze überm Klappmesser zu verordnen (bildlich gesprochen).
Nach großen Siegen dürfen seine "Boys" auch mal über die Sperrstunde hinaus feiern oder bekommen trainingsfrei. Herbert - 45 Jahre, verheiratet, dreifacher Vater - war schließlich auch mal jung. Doch auf dem Court verlangt er höchste Konzentration, Leidenschaft und Teamplay.
Von der ruhigen und introvertierten Erscheinung des knapp zwei Meter Manns sollten sich Beobachter nicht täuschen lassen. Wenn das Spiel läuft, steht der Kanadier unter Strom. Da wird gestikuliert, angefeuert, beraten, diskutiert und mitgefiebert. Ungezählt sind die Wasserflaschen, die der Basketball-Lehrer während eines Matches verbraucht. Oder die Gelegenheiten, bei denen Herbert sich des feinen Sackos entledigte, um seiner Anspannung Luft zu verschaffen. Kein Wunder, dass ein Mann der Basketball 24/7 lebt in Presse- konferenz nach Spielen meist abgekämpft und mit heiserer Stimme zur Analyse des Tagewerks schreitet.
"Trainer zu sein, ist nicht immer leicht. Aber ich genieße den Job, besonders in den Play-offs, wenn soviel auf dem Spiel steht." Dabei ist Herbert kein Zocker aus Leidenschaft. Eher ein Hochleistungs-Taktiker, der mit seinen Assistenten Daphne Bouzikou und Simon Cote wie ein guter Schachspieler immer mehrere Züge voraus denkt, um im entscheidenden Moment das "Play of the Day" aufs Klemmbrett zu pinseln. So wie im Pokal-Halbfinale gegen Trier, als alles schon verloren schien. Bis der Ball zu Jukka Matinen kam und der Finne mit kaltem Herzen per 3er die Verlängerung erzwang, in der die OPEL SKYLINERS den Sieg perfekt machten. "Keine Ahnung aus welcher Trickkiste der Coach diesen Spielzug gezogen hat", gestand Matinen hinterher überglücklich.
Grund zur Freude gibt es für Herbert, der sich am liebsten bei einer Partie Golf entspannt, in dieser Saison mehr als genug. Erster BBL-Finaleinzug der Vereinsgeschichte, Vize-Pokalsieger, die Hauptrunde auf Platz 3 mit der besten Auswärtsbilanz der Liga beendet, im ULEB Cup achtbar nur aufgrund des schlechteren Direktvergleichs mit Sofia auf der Schwelle zum Achtelfinale geschei- tert, 20 von 27 Heimspielen gewonnen. Und das mit dem jüngsten Kader der Liga, der immer wieder von Verletzungen ausgedünnt wurde. Die Partien, in denen Herbert das komplette Personal zur Verfügung stand, darf man getrost an einer Hand abzählen. Für Center Robert Maras war die Saison nach seinem Kreuzbandriss im Dezember gar gelaufen.
"Verletzungen muss man immer einkalkulieren. Sicher war die Situation für uns nie einfach. Aber sie half uns, als Team zusammenzuwachsen." Wenn es darum geht, den Kredit für den Erfolg einzustreichen, scheut der Familienvater das Rampenlicht. "Das erste Lob gebührt den Spielern. Das ist die beste Gruppe, die ich je trainiert habe. Außerdem hat unser Management gute Arbeit geleistet. Wir sind im letzten Jahr durch schwere Zeiten gegangen, haben häufig verloren und keine schönen Spiele abgeliefert. So ist dass, wenn man eine junge Mannschaft aufbaut. Das ist Teil des Lernprozesses. In dieser Saison ist es gelungen, dass Team zusammenzuhalten, wir mussten weniger neue Spieler integrieren. Ohne die Unterstützung durch die Klubführung hätte ich diesen persönlichen Erfolg niemals feiern können."
Längst genießt Herbert in Trainerkreisen internationales Ansehen, vor allem wegen seiner Vorliebe für Full Court Pressure Defense im Stile seines Vorbilds Larry Brown. Spieler schätzen den diplomierten Sportpsychologen, weil ihm der Ruf des "Players Coach" voraus eilt, der jungen Talenten mit Nachsicht, aber auch der notwendigen Stränge in die Karriere hilft. Zwei Schlüsselspieler dieser Saison - Tyrone Ellis und Chris Williams - zog es unter anderem deshalb nach Frankfurt, weil der Name Gordon Herbert lockte. Ellis: "Ich habe mich gefreut zu den OPEL SKYLINERS zu gehen, weil ich viel von Coach Gordie gehört hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht. Der Mann ist ein verdammt guter Coach. Er kann sehr hart sein, aber er weiß, wie er Top-Leistungen aus seinen Spielern herausholt. Das imponiert mir."
<link>Herberts Erfolgsformel steht auf einer Tafel im Trainerbüro: Keep it simple, stupid!
Die einfachen, die kleinen Dinge machen und immer miteinander reden. "Kommunikation ist alles. Auf und neben dem Spielfeld." So führte der 45-Jährige lange Gespräche mit Mario Kasun. Inhalt: die emotionalen Ausbrüche des 24 Jahre jungen Center-Talents, die in Foultrouble und einer Schwächung des Teams mün- deten. Ergebnis: Kasun spielt in den Play-offs den besten Basketball seines Lebens. Auch dem 20 Jahre jungen NBA Draft Pick Malick Badiane half Herbert sich im Hier und Jetzt zu erden, genauso wie er intensiv mit Nationalspieler Robert Garrett über dessen neue Rolle als Energiespender von der Bank philosophierte.
"Erfolg ist eine Reise, deren Ende man nicht an einen bestimmten Punkt knüpfen kann", hat der Gentleman-Trainer mit den graumelierten Schläfen einmal gesagt. Der Gewinn der Meisterschaft mit den OPEL SKYLINERS - der erste große Titel in seiner Trainerkarriere - wäre wohl auch nicht mehr als ein Anfang für den Erfolgsmenschen Gordon Herbert.