Birmingham, Alabama, Karfreitag, 1963. Organisiert vom charismatischen Pastor Martin Luther King demonstrieren afro-amerikanische Bürgerrechtler friedvoll für Gleichberechtigung und die Aufhe- bung der Rassengesetze. Dem weißen Polizeichef Eugene "Bull" Connor sind die "Civil Rights" Aktivisten ein Dorn im Auge. Er lässt die Protestanten mit Wasserwerfen und Schlagstöcken durch die Straßen hetzen.
Die brutalen Bilder gehen um die Welt, rütteln die amerikanische Nation auf und veranlassen US-Präsident John F. Kennedy einen umfassenden Gesetzes- entwurf zur Gleichstellung der farbigen Bevölkerung auf den Weg zu bringen. Birmingham, Alabama, die Wiege der afro-amerikanischen Revolution ist die Heimat unseres Forwards Christopher Williams.
In der Stahlstadt, die heute eine der geringsten Arbeitslosenzahlen der USA aufweist, kam er am 9. Juli 1980 als ältester von drei Brüdern (Daniel, David) zur Welt. Im Hause seiner Eltern David und Cheryl, Angestellte einer großen Telefongesellschaft, war Rassismus und der Kampf Dr. Kings immer ein Thema. "Man musste nur vor die Tür gehen und sah die Spuren der 60er und 70er Jahre. Sei es im Civil Rights Museum oder ganz konkret in der gestiegenen Lebensqualität in unserem Viertel. Was Dr. King und die anderen für die Menschen meiner Generation getan haben, kann man gar nicht hoch genug einschätzen."
Wenn es um die Bürgerrechte geht, kommt "Big Smooth", der große Schweiger, der in Interviews Fragen gerne mit "Yes" und "No" beantwortet, regelrecht ins Plaudern. "Für mich als gläubigen Christen ist Martin Luther King sicherlich ein Idol. Er trat für seine Überzeugung ein. Auch wenn andere dachten, der Mann ist verrückt. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt und letztendlich auch gegeben, damit es den jungen Menschen, die nach ihm kommen besser gehen sollte. Ich bewundere eine solche Haltung sehr."
Chris, dessen Eltern noch "durch andere Zeiten" gegangen seien, weiß seine Jugend unter relativ privilegierten Verhältnissen zu schätzen. "Natürlich gibt es immer noch Rassismus in den Staaten. Oft auf eine subtile, versteckte Weise. Aber mein Vater und meine Mutter haben mich und meine Brüder immer von Gewalt, Drogen und solchen Dingen abgeschirmt."
Mr. und Mrs. Williams bestanden auch darauf, dass ihr Sohn, der mit zehn Jahren seinen ersten Korb warf, neben der Sportlerkarriere die Bücher nicht vernachlässigte. "Es hieß: erst kommen die Hausaufgaben, dann Home Runs und Jump Shots."
Chris studiert Soziologie wie Dr. King, wird im Sommer, wenn die Saison vorbei ist, wieder ein paar Kurse in seiner Heimat besuchen. "Ich will diesen Abschluss unbedingt." Zwar plant Chris noch einige Jahre über den Court zu flitzen ("Wenn ich gesund bleibe, würde ich auch mit über 40 Jahren noch spielen, so wie der Mailman Karl Malone"), hat aber eine mögliche Zukunft als (Basketball-)Lehrer und Coach schon im Blick.
Planmäßig verlief seine Karriere bislang: drei Jahre Starter im High School Team mit einer Trefferquote von 65 Prozent, Rookie des Jahres auf dem College, von Sports Ilustrated zum "meist-unterschätzten" Spieler seines Jahrgangs gewählt, Top-Allrounder der University of Virginia, statt NBA Draft auf Anraten seines Agenten in die australischen Liga, dort MVP und Meister- macher, der die Sydney Kings zum ersten Titelgewinn ihrer Geschichte führte.
Highlights eines jungen Basketballer-Lebens zwischen Hotels und Flughafen-Terminals. "Sicher ist es nicht immer leicht, ständig auf Achse zu sein, getrennt von der Familie. Im Sommer habe ich einen kompletten Kontinent gewechselt, kam in einen völlig anderen Lebensstil. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich mich sehr gut anpassen kann und überall zurecht komme."
<link>Freundschaften helfen, um sich heimisch zu fühlen. In Tyrone Ellis hat Chris Williams einen "Soulmate" gefunden, der ihn versteht, mit dem er über alles reden kann, was ihn bewegt. In kurzer Zeit sind die US-Boys so unzertrennlich geworden wie Ernie und Bert, Harry und Stephan.
"Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden, weil wir einen ähnlichen Background haben." Dass Tyrone weiß, was es heißt, als Afro-Amerikaner aufzu- wachsen, spielt dabei auch eine, wenngleich nicht die wichtigste Rolle. "Das ist eine der schönen Seiten im Leben eines Profi-Sportlers. Man kommt viel herum, trifft interessante Menschen, lernt andere Kulturen kennen und mit den Augen der anderen zu sehen."
Hier greift der alte Spruch: das Spiel ist farbenblind. Ein Beitrag, den Basketball im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz leisten kann.