"Incredible", "Impossible", "Never seen this before" - nur drei Lieblingsaus- sprüche aus dem reichen Zitaten- schatzkästchen unseres Trainers Murat Didin, der am 19. März seinen 50. Geburtstag feierte. Als der in Istanbul geborene Basketball-Lehrer im vergangenen Sommer das Amt des Kanadiers Gordon Herbert übernahm, musste sich nicht nur das Team auf eine neue Gangart einstellen.
Auch für die Frankfurter Journalisten hätte der Wechsel vom introvertierten Basketball-Philosophen Herbert, der in Pressekonferenzen gerne auf das Wesentliche abstellte ("We have to defend and rebound"), zum Showmaker Didin nicht krasser sein können. Der Türke, der es nicht leugnen kann gerne im Mittelpunkt zu stehen, eröffnet Statements am Liebsten mit einem Witz oder einer Anekdote aus seinem bewegten Leben als Nationalspieler und Meistertrainer. Das spielt sich dann ungefähr so ab: während die nachrichtenhungrigen Berichterstatter die Kugelschreiber zücken, um die neusten Erkenntnisse hinsichtlich des nächsten Spieltags aufzuzeichnen, stellt unser Coach der BILD Reporterin erst einmal ganz relaxt die Frage: "Was haben Männer und Telefonzellen gemeinsam? Sie sind entweder gestört oder besetzt."
Seine scheinbar immer währende Fröhlichkeit, gepaart mit einem ansteckenden Lachen haben Didin schnell den Spitznamen "Gute-Laune-Bär" eingebracht. Auch in schwierigen Situationen bleibt der passionierte Tennisspieler ein optimistischer Mensch. Früher, als er die Jeans noch ein paar Nummern kleiner und die Haare einige Zentimeter länger trug, sei er nach jeder Niederlage ungenießbar gewesen. "Bis mein Vater mir die Augen geöffnet hat. Er brachte mir bei, dass in allem was passiert ein Sinn steckt. Wir erkennen das vielleicht jetzt nicht. Doch irgendwann wird es uns offenbart." Didin ist kein tief religiöser Mensch, aber er glaubt an das Übersinnliche, befasst sich mit Glückszahlen, Astrologie und transzendentaler Philosophie. "Ich glaube an Schicksal und Vorbestimmung. Du musst glauben, dass du jedes Spiel gewinnen kannst. Das ist das Maximum und der Rest ist Glück."
Sein halbes Leben hat Murat Didin auf der Trainerbank verbracht. Mit Ülker Istanbul feierte er seine größten Erfolge, wurde einmal Meister und dreimal Pokalsieger. Der gelernte Bauingenier hat Talente geformt und Karrieren aufgebaut, wie die von Ex-Sonics Guard Ibrahim Kutluay. "Ich bekomme das Gefühl, dass ein Spieler gut sein könnte, schon nachdem ich ihn ein paar Mal gesehen habe. Der Laufstil eines Spielers sagt mir, welche Art Spieler er einmal wird."
Murat Didin lebt für den Basketball. Sein Haus in Istanbul ist angefüllt mit Videobändern berühmter Spiele, das Dach mit Satelliten-Schüsseln gepflastert - jede Liga der Welt kann der dreifache Vater hier empfangen. Ehefrau Sibel, ehemals türkische Volleyball-Nationalspielerin, ist beinahe froh, wenn ihre bessere Hälfte aus dem Haus ist. "Dann können wir endlich auch mal etwas anderes im Fernsehen schauen als Basketball." Von seinen Spielern verlangt Didin die gleiche Hingabe an den Zock mit der orangefarbenen Murmel. "Versuchen" und "vielleicht" sind im Wortschatz des "offenherzigen Cosmopoliten" (Manager Gunnar Wöbke) nicht enthalten.
Wer nicht bereit ist, sich im Training zu quälen und dem internen Wettkampf aus dem Weg geht, passt nicht in Didins Koordinaten-System. "Der Trainer ist keiner, der sich auf die Zunge beißt. Er sagt, was er denkt und das imponiert mir", meint Tyrone Ellis.
<img src="/fileadmin/meldungsarchiv/Bilder/team/Technical_20Stuff/Didin/bild_20didin_20kommandiert_20panteliadis.jpg" width="200" height="243" border="0" alt="Dank Murat Didin hat sich mein Spiel verbessert - Spyro Panteliadis
(Foto: City-Press GmbH)" align="RIGHT" valign="TOP"/> Seine Schützlinge kritisiert der Coach öffentlich in mitunter drastischer Manier: "Ich akzeptiere nicht, dass jemand erkältet ist. Ich bin nie erkältet. Wenn Bernd Kruel krank ist, soll er Hühner- suppe essen und Zitronensaft trinken. Dann kann er am nächsten Tag wieder trainieren." Aber er geizt auch nicht mit Lob: "Bernd Kruel hat die Mannschaft durch schwere Zeiten getragen. Wir verdanken ihm sehr viel."
Gestenreich wie Louis de Funès in seinen besten Filmen dirigiert, kom- mandiert und korrigiert Didin seine Jungs von der Außenlinie - persönliche Nachhilfestunden vor oder nach der Einwechslung inklusive. Die Zöglinge danken es ihm: "Der Coach macht aus mir einen besseren Spieler" (Mladjen Sljivancanin), "Dank Murat Didin hat sich mein Spiel verbessert" (Spyro Panteliadis), "Er ist für mich wie ein Vater" (Hasan Özkan).
"Ich zeige den Jungs die Wirklichkeit des Spiels. Wir arbeiten nicht nur um zu gewinnen, sondern auch um jeden einzelnen Spieler auf ein höheres Niveau zu bringen", so Didin. Kapitän Pascal Roller ist sich sicher: "Unter Murat Didin kann jeder Spieler reifen." Beispiele gibt es schon jetzt genug. Man denke nur an Oldie Ibrahim Diarra (vom Locker-Room Guru zum Punkte-Lieferanten) oder Youngster Alex King, der unter Herbert nur Garbage Time bekam und in dieser Saison mehr als einmal in die Startformation rückte.
"In diesem Team steckt sehr viel Potential. Genau wie in der gesamten Bundesliga. Neben Griechenland und Spanien ist die BBL die beste Liga in Europa. Es wird Zeit, dass die Leute das begreifen. Wir haben starke Teams, einen großen Wettbewerb und ideale Voraussetzungen für Spieler, sich einem harten Konkurrenzkampf zu stellen", meint Didin mit dem üblichen Lächeln im Gesicht.
<link>Wenn seine Pläne, die er sich auf den Bürokalender kritzelte, wahr werden, hat Didin im Juni noch mehr Grund zum Grinsen. "Finals - We are the Champions", steht dort zu lesen, umrahmt von einem dicken, roten Herzen. Mit Didin wieder Meister werden und nächstes Jahr in der Euroleague richtig angreifen - das wäre in der Tat "incredible".