Wäre es für einen Co-Trainer schwierig im selben Team Headcoach zu werden und somit einen Rollenwechsel zu vollziehen?
Man muss schon eine ganz starke Persönlichkeit haben, um diesen Wechsel erfolgreich zu bestehen. Für mich ist das schwierig bis unmöglich. Man hat es auch in Köln bei Stephan Baeck gesehen. Sein Scheitern war auch darin begründet, dass die Spieler ihn in seiner neuen Rolle nicht glaubwürdig fanden.
Du befasst Dich sehr stark mit Psychologie. Auch in der Fortbildung, die Du derzeit machst, spielt sie eine große Rolle. Worum geht es da?
Mein Ziel ist eine Supervisions-Ausbildung zu beginnen, und dafür braucht man 400 Fortbildungsstunden im Jahr. Im letzten Sommer habe ich damit angefangen und seitdem verschiedene Fortbildungen besucht. Zum Beispiel ein gruppendynamisches Training, bei dem man mit einem Trainer im Kreis sitzt und zunächst schweigt. Es passiert nichts, bis der erste fragt: Warum sagt niemand was?
Dann entstehen die ersten Interaktionen und man erlebt mit, wie sich eine Gruppe entwickelt. Das klingt sehr theoretisch, ist aber in der Praxis sehr spannend zu beobachten. Man erfährt viel über Menschen und ihre Charaktere, wer eine Führungspersönlichkeit ist, wer machtbesessen ist, wie man mit Autoritäten umgeht usw. Das kann man sehr gut auf den Sport übertragen. Es gibt zum Beispiel in jedem Team einen formellen und einen informellen Leader.
Wo ist der Unterschied?
Der formelle Leader könnte zum Beispiel der Kapitän sein, der bestimmt wurde. Ein informeller Leader ist ein Spieler, der sehr viel Einfluss auf die Mannschaft ausübt, ohne dass es den anderen bewusst ist. Ich habe von den Fortbildungen wirklich gute Erkenntnisse mitgenommen über das Team und auch über mich selbst. Ich bin sicherer geworden in meinem Auftreten.
Ist Dein Selbstbewusstsein über die Jahre auch dadurch gestiegen, dass Du als einzige Trainerin in Europa eine Sonderstellung einnimmst?
Ich habe eine Entwicklung als Person durchgemacht und als Frau. Bei meinem ersten Job trug ich Jeans, Holzfällerhemd und Mütze. Ich wollte bewusst nicht auffallen. Jetzt kann ich so sein, wie ich bin. Wenn man das weiblich nennen möchte, dann ist es weiblich. Ich glaube nicht, dass ich selbstbewusster geworden bin, weil ich diese Position habe. Aber ich frage mich schon, warum ich gerade diese Position eingenommen habe. Meine Eltern hätten lieber gesehen, dass ich den Sparkassenmann geheiratet und viele Kinder gehabt hätte. Doch ich war schon immer ein Revoluzzer und dachte, okay ich mach genau das Gegenteil. Ich bin sehr konservativ aufgewachsen. Ohne Mann bist du nichts wert, hieß es. Und jetzt habe ich 12 Männer, um die ich mich kümmern muss! (lacht).
Wahrscheinlich hast Du auch eher mit den Jungs im Schulhof Fußball gespielt als mit Barbie-Puppen?
Barbies hatte ich auf keinen Fall (grinst). Ich hatte in der Schule immer eine Außenseiter-Rolle. Es war nicht so, dass ich nicht beliebt war. Ich war gut im Sport - und die sind meistens beliebt. Aber ich hatte immer einen starken Gerechtigkeitssinn und konnte nie den Mund halten. Wenn ich glaubte, jemand wird unfair behandelt, bin ich immer dazwischen.
Warst Du auch Klassensprecherin?
Ja, und in der Schüler SV, in der Amnesty International Gruppe - alles was es so gab.