(Quelle: Basketball, Ausgabe Nr. 8 vom 01. März 2003)
Stimmengewirr macht sich in der Geschäftsstelle der s.Oliver BBL breit. Nach und nach füllt sich der Konferenzraum mit Managern und Club-Vertretern. Papiere rascheln, und via Laptop und Beamer flimmern die ersten Bilder an der weißen Wand hinter einem riesigen, ovalen Tisch. Grund für die Versammlung ist der zweite BBL-Workshop zur Nachwuchsförderung. Workshop? Nachwuchs? BBL? Die Zusammenhänge sind gar nicht so kompliziert. Vor der Saison 2001/2002 wurde von den 14 BBL-Clubs ein Konzept zur Nachwuchsförderung verabschiedet. Hintergrund des Entwurfs: Eine koordinierte Maßnahme festzulegen, die es ermöglicht, Spieler für ein nationales und internationales Spitzenniveau auszubilden.
"Jede Ecke wurschtelte für sich, es existierte nichts Konzeptionelles", erinnert sich Prof. Dr. Wolfgang Malisch (Manger s.Oliver Würzburg) an die Dringlichkeit eines einheitlichen Vorgehens. Zusammen mit Carsten Kerner, Manager von Alba Berlin, arbeitete der Chemie-Professor das derzeitige Konzept zur Nachwuchsförderung für die BBL aus. Dies sieht unter anderem vor, dass jeder Bundesliga-Teilnehmer dazu verpflichtet ist, mit dem Antrag zur Lizenzvergabe sein Jugendförderkonzept, das von einem neutralen Gutachterausschuss geprüft und bewertet wird, einzureichen. Für konkrete Projekte eines Vereins kann dann finanzielle Unterstützung beantragt werden. Dazu müssen die Clubs im Vorfeld allerdings eine detaillierte Zielbeschreibung ihrer Pläne abliefern, in der die jeweiligen Kosten (mit erkennbarem Eigenanteil) deutlich werden. Ist dies geschehen, ist es Zeit für den BBL-Workshop.
Konzeptlosigkeit
Erstmalig fand diese Veranstaltung Mitte Dezember 2001 in Frankfurt statt, nun in ihrer zweiten Auflage Ende Januar in Köln. Der Gutachterausschuss ist an diesem speziellen Tag anwesend und entscheidet auf Grundlage der eingereichten Anträge und der Präsentation über eine Förderwürdigkeit der unterschiedlichen Vorschläge. "Das Konzept ist nicht da, um irgendwelche Löcher bei den Vereinen beliebig zu stopfen, sondern das Geld so einzusetzen, wie es im Antrag ausgewiesen ist", sagt Malisch dazu. Aufgrund der schriftlichen Fixierung der Projekte, die in jeder Saison neu eingereicht werden können, ist die Kontrolle für die Gutachter gewährleistet. Sie können nachvollziehen, ob sich Kontinuität entwickelt hat, ob sich inhaltliche beziehungsweise strukturelle Verbesserungen ergeben haben oder ob sich komplett neue Ansätze abzeichnen.
Beim diesjährigen Workshop saßen Peter Klingbiel, DBB-Generalsekretär, Bernd Röder, Bundestrainer, Otto Reintjes, BBL-Commissioner, und Reiner Nittel vom Bundesausschuss des Deutschen Sportbundes im Gremium und ließen sich "eine große Bandbreite von unterschiedlichen Aktivitäten, die die Vereine nun anstreben" (Röder) vorführen. Teilweise traten die Vereine dabei professionell auf - bei anderen fehlte ein wenig die ordnende Hand. Nichtsdestotrotz mussten die Gutachter am Ende eine Entscheidung treffen, wie die Fördergelder in Höhe von rund 200.000 Euro aufgeteilt werden. "Wie in der Bundesliga, gibt es auch hier eine Spitzengruppe, ein Mittelfeld und ein hinteres Drittel", meint Bernd Röder. Angeführt wird jene "Tabelle" von Alba Berlin, den OPEL SKYLINERS, TSK uniVersa Bamberg, s.Oliver Würzburg und RheinEnergie Cologne. Wobei sich letztere von Null direkt mit an die Spitze katapultiert haben, denn beim letzten Mal blieben die Kölner noch ohne Antrag. Die weiteren vier Clubs hatten auch damals schon die Nase vorn. "Bei anderen haben sich die Strukturen gefestigt, bei einigen ist allerdings noch sehr viel zu tun", erklärt Peter Klingbiel die weitere Abstufung in der Rangfolge. Dennoch wird jeder der Vereine, der ein Konzept eingereicht hat, bedacht - der eine etwas mehr, der andere dafür weniger. Das Gießkannenprinzip soll auf jeden Fall vermieden werden.
BBL und Jugendarbeit?
"Hauptkriterien waren, nach Möglichkeit hauptamtliche Trainerstellen für den Nachwuchsbereich zu schaffen oder aufrechtzuerhalten", sagt Peter Klingbiel, "das ist der eigentliche Kern." Weiterhin zielt er auf den Aspekt der Kontinuität ab. "Es nützt nichts, wenn man Jugendliche ausbilden will, ein Programm auf ein Jahr anzulegen. Eine Förderung über mehrere Jahre ist schon sinnvoll." Zumal langfristige Modelle mit Struktur vom Ausschuss höhere Beachtung finden. Doch es gibt eine Vielzahl von Ideen beziehungsweise Mustern. Manche Vereine arbeiten mit Kooperationspartnern (Bamberg, Köln, Berlin etc.), andere fördern in Verbindung mit Teilzeitinternaten (Leverkusen, Braunschweig etc.), noch andere wollen eine Akademie gründen oder haben das schon getan. Wie die OPEL SKYLINERS. Sie fördern in der Basketball Akademie Rhein-Main (BB-Academy), die als Anschluss an die D-Kaderförderung des Landesverbände angesehen werden kann, talentierte Spieler ab 15 Jahren. Aufgenommen werden dort solche Akteure, die eine Perspektive auf die höchste europäische Liga- und für den A-Kader besitzen. Die Akademie stellt sozusagen die Anschlussförderung an die D-Kaderförderung der Landesverbände im männlichen Bereich dar. Eins von den Talenten ist Alex King.
An einem ganz normalen Dienstagmorgen gegen 11 Uhr steht der 18-Jährige im weißen Nike-Trainings-Dress am Spielfeldrand der Frankfurter Ballsporthalle: Er beobachtet die Übungseinheit der Skyliners. Mit wachsamen Blick, die Hände in die Hüften gestemmt, verfolgt er jeden einzelnen Spielzug und lauscht bedächtig den Anweisungen von Headcoach Gordon Herbert - bis er selbst in das Trainingsgeschehen eingreifen darf. Der Juniorennationalspieler, der zuvor in Schwabing spielte, ist seit Beginn der Saison in Frankfurt. Mit einer Doppellizenz ausgestattet, geht er sowohl für Eintracht Frankfurt (2. Bundesliga/ Regionalliga) als auch für die OPEL SKYLINERS auf Korbjagd. Das gehört zu den Zielen der Akademie: Jeder Spieler soll, gemäß seinem Leistungsstand, ein bis zwei Spiele pro Woche bestreiten. "Sobald sich einer auf einem Level etabliert hat, wird er auf die nächste Stufe gestellt", erklärt Axel Rüber, Trainer von Kooperationspartner TV Langen und zusammen mit Steven Clauss verantwortlich für das Projekt BB-Academy. Alex King habe sich in der 2. Bundesliga gut präsentiert und trainiere deshalb jetzt beim Erstligateam mit. "Das ist für die jungen Spieler natürlich eine große Motivation." Damit die Jungs den Sprung in die Spitze schaffen, haben sich die Coaches und Manager in Frankfurt einiges einfallen lassen. Zwei Mal Mannschaftstraining pro Tag plus tägliches Individualtraining plus Krafttraining plus Aquajogging - der Zeitplan ist mit Übungseinheiten gut ausgestattet. Vielleicht manchmal zu viel für die Jugendlichen? "Es ist ein schmaler Grat", gibt Rüber zu, "daher ist es wichtig, in die Spieler reinzuhören und viel mit ihnen zu sprechen." Wer eine Pause benötigt, bekommt sie. Allerdings ist auch jedem klar, dass ohne derart viel Trainingsaufwand kein Topspieler geformt werden kann. Dessen ist sich auch Alex King bewusst, obwohl er zugeben muss, dass es manchmal hart ist, sich durchzubeißen: "Vor allem am Anfang, in der Saisonvorbereitung war es schwer. Da hatten wir teilweise drei Mal Training am Tag." Dennoch bereut er den Schritt von Bayern nach Hessen keineswegs. Schließlich will er sein Ziel, "ein europäischer Topspieler zu werden", auf jeden Fall verwirklichen: "In München konnte ich mich in der Oberliga nicht mehr weiterentwickeln. Hier geht das."
BB-Academy in Basketball-City
Mittlerweile ist es 13.00 Uhr und Alex ist mit Co-Trainer Simon Cote zum Individualtraining in der Titustherme angelangt. Hier ist das "neue" Basketballzentrum, die sogenannte Basketball-City. Eine moderne Halle mit zwei verschiebbaren Hauptkörben sowie fünf Seitenkörben eröffnet den Basketballern jede Menge Möglichkeiten, denn die Stadt Frankfurt hat der "Basketball Community" (Rüber) das Nutzungsrecht für die Halle übertragen. 15 Jahren lang können die Frankfurter nun die Halle für ihre Zwecke nutzen. Dadurch kann die Akademie den zu fördernden Spielern (u.a. noch Mario Kasun, Peter Fehse, Dominik Hennen, Malik Badiane, Nikita Khartchenkov) ein bestmögliches Umfeld bieten. Denn in der Titustherme gibt es neben der Halle noch ein Kraftstudio, in dem Co-Trainerin Daphne Bouzikou mit den Spielern individuell trainiert, ein Schwimmbad sowie eine Sauna, die kostenlos für die Jungs zugänglich sind, und ein Restaurant, wo jeden Mittag Essen serviert wird. Des Weiteren ist dort ein Einkaufszentrum, in dem man von Lebensmittelläden über Baumärkte bis hin zu Klamottenshops alles findet - wer also irgend etwas benötigt, braucht nach dem Training oder vor der nächsten Einheit nur ein paar Schritte zu gehen. Alles, was man braucht - auf fünf Ebenen verteilt. "Das ist optimal", bestätigt Axel Rüber, "wenn man eh schon wenig Zeit hat, muss man keine langen Wege zurück legen. Es war wichtig, dass die Stadt das gemacht hat." In dem Komplex befinden sich zusätzlich nämlich noch Schulungsräume, die für Coach Clinics und Camps genutzt werden können, außerdem haben die OPEL SKYLINERS eine Kooperation mit dem in der Titustherme integrierten Mariott Courtyard Hotel. In der nächsten Zeit sollen weiterhin Büros an die Halle angebaut werden, so dass die Trainer vor Ort sein können und so die Voraussetzungen für eine gute Nutzung gegeben sind - eben eine echte Basketball-City. Um die nötigen Investitionen zu tätigen und damit die Jugendförderung weiter zu etablieren, haben die Skyliners einen entsprechenden Antrag an die s.Oliver BBL gestellt, um wenigstens einen Bruchteil der Kosten über die Fördergelder abzudecken.
<link>Seit August 2000 läuft das Projekt BB-Academy nun, und bei der BBL zeigte man sich entsprechend beeindruckt, was die Hessen in diesem Zeit-raum bereits geleistet haben. "Bis die ganzen Programme ins Laufen kommen, dauert es ja auch ein bisschen, aber was Frankfurt auf die Beine gestellt hat, ist profihaft", so Bernd Röder. Was nicht heißen soll, dass andere Anträge tadelnswert waren. "Es gibt keine Ideen, die besser oder schlechter waren als andere. Die Projekte der Kandidaten aus der Spitzengruppe waren vielmehr nachhaltiger als die übrigen", beurteilte Otto Reintjes die Situation. Ob das tatsächlich so ist oder ob sich in wenigen Jahren Spieler wie Alex King in der Bundesliga einen Namen gemacht haben, kann man bis dato schlecht beurteilen. "In fünf Jahren sollte man die Entwicklung mal überprüfen", meint Prof. Dr. Wolfgang Malisch, "vorher ist es illusorisch, etwas dazu zu sagen." Big Brother is watching you - wir bleiben am Ball.
Geschrieben von Nicole Bitter für das Magazin "Basketball"