Sie sind Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik in Ulm. Was sind Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte?
Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer: Wesentlicher Forschungsschwerpunkt des psychiatrischen Universitätsklinikum Ulm ist die Anwendung der Erkenntnisse der Systemneurowissenschaft auf psychiatrische Krankheitsbilder. Wir verstehen heute vieles besser und können deswegen auch besser heilen. Parallel dazu, ermöglicht uns dieses Verständnis aber auch, ganz normale Prozesse, wie beispielsweise die Emotionskontrolle aber auch schlicht und einfach das Lernen bei ganz normalen Leuten zu verbessern. Speziell hierfür habe ich 2004 das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen gegründet, um die Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft dorthin zu bringen, wo man sie braucht: In die Kindergärten, in die Schule und an andere Orte des Lernens wie beispielsweise Unternehmen oder die Universitäten.
Für wie wichtig halten Sie Sport und Bewegung für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen?
Bewegung ist ein wesentlicher Teil des Verhaltens und Erlebens von Menschen. Menschen sind einerseits „Augentiere“, d.h. der Sehsinn ist für uns der wichtigste Inputkanal. Wir sind andererseits aber auch – und das wird oft vergessen – „Bewegungstiere“: Die Beweglichkeit unserer Hände macht uns keine andere Art nach und im Marathonlauf schlagen wir fast alle anderen Arten. In der heutigen bewegungslosen Zeit, wo wir sehr viel körperliche Bewegung durch Maschinen ersetzten, vergessen wir diese Tatsache gern.
Sie unterstützen die Initiative „Basketball macht Schule“. Warum und auf welche Art und Weise?
Ich unterstütze „Basketball macht Schule“, weil ich um die Bedeutung der Bewegung um die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen weiß. Auf ganz vielfache Weise tut Bewegung dem Geist gut. Daher unterstütze ich auch die Initiative „Basketball macht Schule“ und hoffe, dass die Neurowissenschaft einen Beitrag dazu leisten kann, die besondere Bedeutung der Bewegung für eine gesunde, körperliche, aber eben auch geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen herauszustellen.
Kann gesunde Ernährung dabei eine unterstützende Rolle spielen? Würden Sie als Wissenschaftler es für sinnvoll halten, einen Ernährungsbaustein in das Trainingskonzept einzubauen?
Definitiv ja! Wer meint, dass Fehl- und Mangelernährung in unserer Überflussgesellschaft nicht vorkommen, der irrt: Viele Jugendliche ernähren sich ungesund, was sich – dies konnten wir in einer international publizierten Studie nachweisen – ungünstig auf deren geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Und wer Körper und Geist trainiert, der braucht erst recht die richtige Kost!
Lernen soll Spaß machen, haben Sie in Interviews gesagt. Gerade in den weiterführenden Schulen haben die Kinder aber eher viel Druck als Spaß. Müssen unsere Kinder anders lernen?
Wir müssen vor allem anders unterrichten! Die Kinder können ja nichts dafür, dass wir die Schule als „Ernst des Lebens“ bezeichnen und dann leider auch genauso handeln. Betont wird, was keinen Spaß macht und was ein Kind jeweils nicht kann. Wir wissen jedoch heute, dass man vor allem dann gut lernt, wenn man neugierig ist und wenn man seine eigenen Stärken einsetzen kann.
Welche Erkenntnisse aus ihrem Forschungsgebiet und der Mitarbeit bei „Basketball macht Schule“ gibt es, die man Ihrer Ansicht nach in den Schulen umsetzen sollte?
Wir wissen um die Bedeutung des Erlebens von „ich kann das“. Wir wissen auch um die Bedeutung des Gefühls, stolz auf die eigene Leistung zu sein und auf die Bedeutung des Erlebens, Widrigkeiten überwunden und dennoch das Ziel erreicht zu haben. Solche Erlebnisse – Selbstkontrolle, Selbstwirksamkeit und (damit langfristig einhergehend) Selbstvertrauen – sind extrem wichtig, gerade für Jugendliche. Unsere Schulen bieten sehr wenig Gelegenheit für solche Erlebnisse, sie sind ofteher frustrierend. Wie gut ist es da, wenn man in anderen Bereichen, wie beispielsweise dem Sport, persönliche Erfolge haben kann.
Aber lassen sich über Erfolgserlebnisse im Sport Probleme in der Schule beheben?
Wenn ein Jugendlicher einmal gelernt hat: „Wenn ich mir Mühe gebe, dann werde ich besser“, dann kann er dieses Wissen, diese Erfahrung, überall einsetzen. Eine im Fachblatt Science gleich zweimal publizierte Studie zeigte dies sehr deutlich: Wenn man Jugendliche nur einfach einmal danach fragt, was sie denn für sich selbst erreichen wollen und sie das dann auch tun lässt, werden sie in der Schule besser, auch dann, wenn sie dies gar nicht wollen. Es kommt darauf an zu erfahren, dass der eigene Wille und die eigene Kraftanstrengung sich auszahlen. Wer das erfahren hat, wird in der Schule automatisch besser.
Wir befinden uns in einer Gesellschaft, die geprägt ist vom Medienkonsum, bereits im Kleinkindalter. Ein Motto von „Basketball macht Schule“ lautet „Wir sagen der Glotze den Kampf an“….
… da sprechen Sie mir aus der Seele! Lässt man einmal den ganzen Rummel weg, so bergen die neuen Medien eben auch ihre Gefahren! Im Durchschnitt verbringen Kinder und Jugendliche hierzulande sechs Stunden täglich mit Bildschirmmedien zu: Fernsehen, Computer, Handy, Spielkonsole etc.. für den gesamten Schulstoff dagegen, ist bei einer 35-Stunden-Woche nur 3,75 Stunden täglich Zeit. Ungünstig ist vor allem, dass bei einer solchen Tagesgestaltung für Bewegung kaum noch Zeit bleibt. Kinder und Jugendliche verbringen sehr gerne Zeit draußen mit Bewegung und beispielsweise mit dem Ballspiel. Sie tun dies eigentlich auch lieber als vor einem Bildschirm und einer Tastatur zu sitzen. Oftmals haben wir Ihnen jedoch leider nichts anderes anzubieten. Genau das muss sich ändern und genau hier setzt „Basketball macht Schule“ an.
Sie haben bei der Benefiz-Gala bereits einen kleinen Vorgeschmack auf Ihren Vortrag zugunsten „Basketball macht Schule“ am 11. April 2012 in der Fraport Arena zum Thema „Geist in Bewegung“ gegeben. Worum geht es in Ihrem Vortrag?
Mein Vortrag beschäftigt sich mit den vielfältigen Verknüpfungen zwischen Geist und Bewegung. Wir wissen heute sehr viel mehr darüber als noch vor zehn Jahren: Bewegung führt dazu, dass Nervenzellen in den Gehirnen erwachsener Menschen nachwachsen. Sie führt dazu, dass wir besser lernen können, wie Untersuchungen an Schülern eindeutig gezeigt haben. Im Tierversuchen lässt sich nachweisen, dass Bewegung in den Gehirnbereichen, die für die Gedächtnisbildung zuständig sind, bereits nach wenigen Wochen zu einer Vermehrung der Nervenzellen führt. Wir kennen zudem die positiven emotionalen und motivationalen Auswirkungen von Bewegung.
Kann auch ein Laie auf dem Gebiet der Neurowissenschaft dem Vortrag folgen?
Meine Vorträge versteht jeder, dafür bin ich bekannt. Es geht mir letztlich um nichts weniger als darum, zu zeigen, wie viel Geist in Bewegung steckt und wie eng Bewegung, Denken und positive Emotionen miteinander verknüpft sind. Wer das verstanden hat, der geht zukünftig anders mit sich selber um und dem wird es künftig ein Anliegen sein, dass Kinder und Jugendliche genug Anlass haben, sich zu bewegen. Wir – die Erwachsenen – sind es Ihnen schuldig.
Karten- und Eventhinweis
Karten für die Doppelveranstaltung (Vortrag plus Heimspiel) am Mittwoch, den 11. April ab 17 Uhr, sind erhältlich für 19 Euro (ermäßigt 15 Euro), Dauerkarteninhaber können ihre Karten für nur 7 Euro freischalten lassen.
Über die Geschäftsstelle der FRAPORT SKYLINERS (Tel: 069-928 876 19; Mail: ticket@skyliners.de), die Vorverkaufsstellen von Frankfurt Ticket oder direkt zum selber ausdrucken sind die Karten erhältlich.